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Julie Marthe Hoffmann Wat ass Architektur?

Wir setzen uns dafür ein, dass sich in der Architektur etwas verändert.“
© Julie Marthe Hoffmann

Die Rotondes arbeiten in jeder Spielzeit mit Kollektiven und Vereinen zusammen, die sich kritisch mit sozialen Fragen auseinandersetzen und Dialog und Reflexion fördern. Wir haben uns mit Julie Marthe Hoffmann getroffen, um von ihr etwas über Wat ass Architektur? zu erfahren, ein Projekt, zu dem auch eine Dokumentationsreihe erscheinen wird.

Wie kam es zu dem Projekt Wat ass Architektur?

Julie: Die Idee dazu entstand während des Studiums. Ich habe damals Architektur in Innsbruck studiert und mich mit FreundInnen gefragt, was Architektur eigentlich ist. Wir haben auch verschiedene DozentInnen dazu befragt. So kam es zu dem Projekt What is architecture?, im Grunde eine Internetplattform, auf der verschiedene Ansichten zur Architektur präsentiert werden. Ich wollte das auch für Luxemburg umsetzen und habe dann ein Stipendium von der Vereinigung Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte bekommen.

Die in den Rotondes gezeigten Filme sollen ein Publikum aus Nicht-ArchitektInnen vor dem Erscheinen einer Dokumentationsreihe sensibilisieren, die ich gerade zusammen mit Etienne Duval vorbereite. Alle Bereiche des Projekts verfolgen einen nicht-elitären Ansatz, denn wir wollen unbedingt auch andere Menschen erreichen, nicht nur ArchitektInnen. Wir alle leben und arbeiten schließlich in einem Gebäude, wir alle haben einen Bezug zur Architektur.

Möchtest du mit diesem Projekt eine Idealvorstellung vom Beruf des Architekten und dessen Ausübung vermitteln? 

J.: Ich selbst bin bei diesem Projekt eher Kuratorin als Architektin und möchte vor allem Ideen vermitteln. Auch wenn ich Leute für den Dokumentarfilm interviewe, spielt es keine Rolle, dass ich Architektin bin. Unser Ansatz ist ein aktivistischer.

Die ideale Architektur stellt für mich jedoch den Menschen in den Mittelpunkt und versucht, Wege zu finden, um gut, aber nicht unbedingt teuer zu bauen. Der österreichische Film Häuser für Menschen – Humaner Wohnbau in Österreich hat gezeigt, wie es gehen kann: Die Leute haben sich in Baugruppen organisiert.

Häuser für Menschen — Humaner Wohnbau in

Man spürt eine unterschwellige Kritik, den Wunsch, die Architektur in eine bestimmte Richtung zu lenken…

J.: Ja, es gibt eine ganze Reihe junger ArchitektInnen, die eine Weile im Ausland waren und nach ihrer Rückkehr von den Luxemburger Verhältnissen etwas enttäuscht sind. Jeder Bau, jede Renovierung wird in der Absicht durchgeführt, später daran zu verdienen. Die Motivation besteht nicht unbedingt darin, gute Architektur zu machen, sondern eher darin, eine Investition zu tätigen. Dies hat einige ArchitektInnen frustriert und zur Entstehung des Projekts beigetragen. Wir setzen uns dafür ein, dass sich in der Architektur etwas verändert.

Neben den zur Sensibilisierung gedachten Filmvorführungen veranstalten wir auch Workshops für Kinder, um diese schon ganz früh anzusprechen. Ich habe den Eindruck, dass die Architektur in Österreich in den Köpfen der Leute viel präsenter ist, und das hat meiner Ansicht nach mit Erziehung zu tun. Hier in Luxemburg wird man sofort in Richtung Wirtschaft, Bankwesen etc. gedrängt und nicht so sehr in Richtung der kreativen Berufe, wie etwa Architektur.

Auf was können wir uns in der Saison 21/22 gefasst machen?

J.: Bei den letzten Vorführungen lag der Schwerpunkt auf den Menschen, die in den Gebäuden leben, während in dieser Saison eher jene im Mittelpunkt stehen, die sie bauen. So zeigen wir beispielsweise mit The Architect einen ziemlich komischen Film. Es geht um ein junges Paar, das ein Haus bauen will, und um einen Architekten mit einem übergroßen Ego, der vor allem seine eigenen Vorstellungen umsetzen will. Außerdem gibt es einen Dokumentarfilm, The Competition. Er wurde in fünf renommierten Architekturbüros gedreht, während diese an einem Wettbewerb arbeiteten. Der Film macht spürbar, welch großer Druck in diesem Umfeld herrscht.

Neben den Vorführungen wird es wahrscheinlich auch Vorträge des Philosophen Lukas Held auf 100,7 zu hören geben. Held interessiert sich für Architektur, Raum, Formen des Zusammen- oder Alleinlebens. Wir haben ihn im Übrigen auch für den Dokumentarfilm herangezogen.

Wie weit seid ihr mit der Dokumentation? Steht das Erscheinungsdatum schon fest? 

J.: Die Reihe soll im April 2022 erscheinen. Im Rahmen von Esch2022 organisiert u. a. der Architekt Philippe Nathan X 2001 eine Biennale für junge Architektur, und da wollen wir die erste Folge zeigen. Sie soll den anwesenden ausländischen ArchitektInnen einen Einblick in die luxemburgischen Gegebenheiten geben.

Zum Schluss die Frage: Was ist Architektur?

J.: Das weiß ich immer noch nicht! Ich habe einige Ideen, aber keine Antworten. Aber die hat wohl niemand, denn die Frage ist metaphysisch. Der Titel des Projekts ist eher als Provokation gedacht und soll zum Nachdenken anregen.