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Eddi van Tsui Unsere Arbeit zielt darauf ab, eine Vielzahl von Perspektiven zu zeigen. Es liegt am Publikum, seine eigene zu finden.“

Für das Kollektiv Eddi van Tsui treffen Ökologie, Kulturerbe und Technologie in Tuvalu aufeinander.
© Foto 1: Bohumil Kostohryz / Foto 2: Nathan Roux / Foto 3: Eddi van Tsui

Kofinanziert von der Europäischen Union im Rahmen des Projekts GRACE — Interreg VI Großregion

Ihr Projekt Island 2.0 wurde für das Multiplica-Stipendium und die grenzüberschreitende Residenz ausgewählt, die von den Rotondes in Zusammenarbeit mit der Stadt Metz und BLIIIDA im Rahmen des GRACE-Projekts von INTERREG IV Großregion organisiert wird.

Derzeit tauchen Sandy Flinto, Pierrick Grobéty und Daniel Marinangeli in die Geschichte von Tuvalu ein. Der kleine Inselstaat im Pazifischen Ozean ist bedroht durch den Klimawandel, möchte aber dennoch sein kulturelles Erbe und seine Rechte bewahren, indem er sich im Metaversum neu erschafft. Das Archipel vereint damit zentrale Themen, die das Kollektiv beschäftigen: Ökologie, Kultur und Technologie.

Bevor sie ihre zweite Residenzwoche in den Rotondes antreten, haben wir uns mit dem Trio über den aktuellen Stand des Projekts unterhalten.

Das Konzept für Island 2.0, das ihr im Rahmen des Projektaufrufs eingereicht habt, war bereits sehr genau ausgearbeitet. Bedeutet das, dass das Projekt schon länger in der Entwicklung war? Wann haben eure Ideen zusammengefunden und sich konkret auf dieses Projekt ausgerichtet?

Sandy Flinto: Wir haben zuvor eine siebenwöchige Forschungsresidenz an der Universität, in der Arche (Villerupt, FR) und im Bridderhaus (Esch-sur-Alzette, LU) durchgeführt. Sie trug den Titel Terre d’Origine (Ursprungsland) und beschäftigte sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit unserer Beziehung zur Erde und zur Technologie. Während dieser Recherche stieß Daniel auf die Insel Tuvalu. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt bereits eine große Menge an unterschiedlichsten Materialien gesammelt.

Direkt nach dieser Forschungsphase hielten wir zwei öffentliche und professionelle Präsentationen im SPEKTRUM (Rumelange, LU). Durch das Feedback wurde klar, dass Tuvalu besonders interessant ist, da die Insel viele unserer zentralen Themen vereint – ob ökologisch, sozial, wirtschaftlich oder politisch, oder auch in Bezug auf individuelle und kollektive Identität.

Dank dieser Vorarbeit hatten wir bereits eine tragfähige Idee als Ausgangspunkt für unsere Bewerbung beim Projektaufruf. (Foto © Eddi van Tsui)

Das Projekt knüpft also an eure bisherige Arbeit an. 

Pierrick Grobéty: Selbst wenn es nicht immer bewusst geschieht, merken wir doch, dass wir uns im Laufe der Jahre ein enormes Forschungsarchiv über die zeitgenössische Gesellschaft aufgebaut haben – in dem Versuch zu verstehen, wie sie funktioniert.

S. F.: Unsere Arbeitsweise bleibt oft dieselbe, egal ob es um interdisziplinäre Stücke oder Installationen geht. Wir beginnen immer mit einer intensiven Recherche und arbeiten von Anfang an zusammen: Daniel als Dramaturg und Autor, Pierrick für den klanglichen Aspekt und ich für die visuelle Gestaltung.

Bisher haben wir uns mit Themen wie Raum, Migration usw. beschäftigt – Themen, die unterschiedlich miteinander verbunden sind. Die inhaltliche Fragestellung steht immer an erster Stelle. Erst danach entscheiden wir, auf welchem Weg wir sie umsetzen: als Bühnenstück, Video, Installation …

Was hat euch dazu bewegt, euch für eine Installation und eine Klangperformance zu entscheiden?

S. F.: Da sich das Projekt mit der Digitalisierung der Welt beschäftigt, war für mich sofort klar, dass digitale Technologien eine Rolle spielen würden.

P. G.: Für unser vorheriges Projekt habe ich angefangen, modulare Musikinstrumente zu verwenden, die von der Informatik inspiriert sind. Sie haben einfache Funktionen, die ich mit Kabeln verbinde, um komplexe Klangstrukturen zu erzeugen. Ich habe mich entschieden, dieses Instrumentarium auch für Island 2.0 wiederzuverwenden – ohne bisher genau sagen zu können, warum.

Aber es ist das erste Projekt, in dem ich die drei Arten meines Instrumentenbaus miteinander verbinde: die akustische, die informatikbasierte, digitale Klangsteuerung und die elektronische Klangerzeugung. (Foto: Nathan Roux)

Wie verlief die erste Residenzwoche im Dezember?

Daniel Marinangeli: Wir haben sie vor allem der Themenrecherche gewidmet. Wir haben Texte, Dokumentationen, Zeitungsartikel und Bilder zu Tuvalu gesammelt – insbesondere zum technischen Prozess, durch den das Archipel ins Metaversum überführt werden soll.

S. F.: Wir wollten verstehen, warum diese Entscheidung getroffen wurde. Einerseits ist es offensichtlich ein Kommunikationsinstrument, um Spenden zu sammeln. Aber vor allem gibt es eine rechtliche Dimension: Eine Nation kann nicht ohne Territorium existieren – und genau das wird Tuvalu bald verlieren. Australien hat den BewohnerInnen Asyl angeboten, aber das ist nicht kostenlos.

P. G.: Australien fordert im Gegenzug das Territorium zurück – einschließlich der Fischereirechte und der Nutzungsrechte für die Meeresressourcen.

S. F.: Die Geschichte Tuvalus verbindet sich mit einem weiteren zentralen Thema unserer Arbeit: Ökologie. Das Metaversum zu betreiben ist extrem umweltschädlich. Es ist paradox, eine Insel, die durch den Klimawandel untergeht, mit einer Technologie bewahren zu wollen, die genau dazu beiträgt.

D. M.: Es wird auch die Frage der Perspektive aufgeworfen: einerseits die die Bevölkerung Tuvalus, die versucht, mit der Welt zu kommunizieren, andererseits die westliche Sichtweise, die das Geschehen von außen betrachtet. Es erinnert an das Motiv der Bestrafung durch eine Flut – wie bei der Sintflut oder Atlantis.

S. F.: Wir haben visuelles Material gesammelt, Rohmaterial gesichtet und relevante Ausschnitte ausgewählt, sodass wir nun mit der Videobearbeitung beginnen können. Wir hatten ursprünglich überlegt, eigenes Videomaterial zu erstellen, aber zuerst wollen wir diesen Schritt abschließen.

Was habt ihr euch für die zweite Residenzwoche im Februar vorgenommen?

S. F.: Zunächst bereiten wir die Präsentation während des Multiplica Lab vor. Wir überlegen, einen großen Bildschirm auf dem Boden zu platzieren, um eine abstraktere, sensorische Erfahrung zu schaffen. Gleichzeitig soll es einen kleinen Fernseher mit Kopfhörern geben, über den man Menschen über Migration sprechen hören kann.

Wie empfindet ihr diese Präsentation? Seht ihr sie als Einschränkung, die euren kreativen Flow unterbricht, oder als eine wirklich bereichernde Erfahrung?

S. F.: Es motiviert uns eher, dass diese Residenzpräsentation in einen größeren Rahmen eingebettet ist – nämlich in das Multiplica Lab.

P. G.: Natürlich nimmt es mentale Kapazitäten in Anspruch, eine funktionierende Form zu definieren. Aber es gibt uns auch die Möglichkeit, die Platzierung der Bildschirme und Lautsprecher zu testen – ein Setup, das die Menschen dazu bringt, sich zu bewegen und durch ihre Bewegung ihre Art des Zuhörens zu verändern.

D. M.: Wir werden sehen, wie die Leute auf die Themen reagieren – von welchen sie sich angesprochen fühlen und von welchen weniger. Ein externer Blick ist immer wertvoll.

S. F.: Menschen sind im Allgemeinen neugierig und offen für Gespräche, sie stellen Fragen. Und da wir ganz unterschiedliche Antworten haben, führt sie das oft zu weiteren Überlegungen.

P. G.: Unsere künstlerische Arbeit zielt darauf ab, verschiedene Perspektiven zu aufzuzeigen. Am Ende liegt es bei den Menschen, sich ihre eigene Meinung zu bilden.