Gespräch Aurélie d’Incau & Nika Schmitt
Aurélie, Nika, ihr beide kennt euch schon sehr lange, ihr habt sogar zusammen in Maastricht studiert. Gibt es dennoch große Unterschiede in eurer jeweiligen Praxis?
Nika: Ja, und das vermutlich auf allen Ebenen! (lacht) Aurélie legt großen Wert auf das Spielerische, sowohl bei der Entstehung ihrer Werke als auch beim Endergebnis.
Aurélie: Die Interaktion mit dem Publikum ist für mich definitiv Teil des Prozesses. Ich bewege mich immer mehr in eine Richtung, in der das Spiel zum integralen Bestandteil des kreativen Prozesses wird. Bei Nika haben wir es mit etwas zu tun, das für die Zuschauer*innen stärker verinnerlicht ist. Ich würde nicht sagen, dass man sich in einer passiven Position befindet, eher in einer aktiven Beobachterposition.
N.: Aber bei uns beiden gibt es diesen unterschwelligen Humor, nicht unbedingt den gleichen, aber doch bei beiden präsent, wenn auch nicht auf den ersten Blick.
A.: Ja, wir setzen beide ein wenig Sarkasmus, einen Hauch von Schärfe ein.
Würdet ihr so weit gehen, von einer Art Kritik zu sprechen?
A.: In dieser Hinsicht, denke ich, ähneln wir uns etwas, denn ich glaube nicht, dass es uns darum geht, etwas explizit zu kritisieren.
N.: (zögert.) Wir sind keine Aktivistinnen, das stimmt. Aber derzeit denke ich viel über erneuerbare Energien nach und wie sie eingesetzt werden, zum Teil für komplett unnötige Dinge. Da habe ich ein kritisches Auge drauf.
A.: Ich bin überzeugt, dass man durch das Spielen Aufmerksamkeit und Empathie erzeugen kann. Was mich betrifft, so versuche ich, das Poetische zu bewahren und gleichzeitig etwas auf Abstand zu gehen. Das ist optimistische Kritik!
Der cube,
ein Raum für Neugierige
Nika, hast du Zuch im cube gesehen?
N.: Ja! Da gab es dieses Loch, in das man sein Telefon schieben musste, mit eingeschalteter Kamera. Das Telefon kam an einer anderen Seite wieder heraus, und erst beim Betrachten der Aufnahme konnte man sehen, was im Inneren vor sich ging. Dieses Element des Unbekannten hat mir gut gefallen. Aurélie hat eine ganz eigene Welt geschaffen, die im Video fast wie animiert aussah. Alle haben die Ausstellung mit einem Kunstwerk in der Galerie ihres Smartphones verlassen, wo sich sonst all die eher wenig spektakulären privaten Fotos und Videos befinden.
Aurélie, worin besteht beim cube die Herausforderung?
A.: Ich gehe bei all meinen Projekten zunächst vom Standpunkt der ZuschauerInnen aus und davon, wie diese sich im Ausstellungsraum bewegen. Der cube ist insofern besonders, als er zwei Seiten hat, die jeweils unabhängig voneinander funktionieren. In der Buvette gibt es diese große Fensterscheibe zum cube hin. Sie funktioniert wie ein Rahmen und lässt das Innere des cube wie ein Gemälde wirken. Wenn man die Rotonde 2 betritt, kann es aber durchaus sein, dass man zur Bar geht, dort ein Bier trinkt und wieder geht, ohne den cube oder das Werk überhaupt gesehen zu haben. Mir persönlich gefiel die Idee, dass die Leute Zuch verpassen könnten. Die Installation hat sich nur den Neugierigsten gezeigt, denen, die den cube bemerkt und ihr Smartphone aus der Tasche genommen haben.
(unten: Eröffnung Zuch 2018 © Mariana Dos Santos)
Nika, ist es ein Raum, der dich inspiriert?
N.: Für mich besteht die Herausforderung darin, dass meine Installation für zwei sehr unterschiedliche Orte gedacht werden muss: den cube in den Rotondes, der klein und dunkel ist, und einen viel größeren Raum im IKOB von Eupen. Die Installation Sweet Zenith, die ich für diese beiden Räume konzipiert habe, ist daher ähnlich, reagiert aber je nach Kontext unterschiedlich.
Ich stelle mir den cube als Diorama vor, als Kasten, in dem es einen Mikrokosmos zu betrachten gibt. In dem von mir geschaffenen System versorgt eine durch einen Ton aktivierte Lichtquelle ein Solarpanel. Das Lichtpendel gerät durch die erzeugte Energie ins Schwingen und entfernt sich dadurch von dem Solarpanel und dem Lautsprecher, der den Ton erzeugt, wodurch die Stromerzeugung wiederum gestoppt wird. Dadurch bewegt sich das Pendel auf unkoordinierte Weise, bis es wieder in die Mitte gelangt ist und das Phänomen erneut in Gang gesetzt wird. Trotz der Wiederholung hat dieser Vorgang weniger einen meditativen, als vielmehr einen sehr chaotischen Charakter.
Besteht nicht die Gefahr, dass das System durch die Umgebungsgeräusche gestört wird?
A.: Was, wenn es eine Party mit Stroboskoplicht gibt?
N.: Das Licht müsste mit einer bestimmten Wellenlänge an einem ganz bestimmten Punkt auftreffen, um Auswirkungen zu haben. Was die Geräusche angeht, so ist es eher die Installation, die die Leute stören könnte, als umgekehrt, denn sie könnte sehr laut werden! Vielleicht muss ich die Lautstärke reduzieren. Jedenfalls ist die Grundidee eher die eines Universums, das man von außen betrachten kann, und die Rolle des Beobachters/der Beobachterin wird sehr wichtig sein.
(unten: Sweet Zenith © Nika Schmitt)
Die Bedeutung des Ortes
Wir haben eben von euren sehr unterschiedlichen Ansätzen gesprochen. Wäre es für euch trotz aller Unterschiede möglich, etwas zusammen zu machen?
N.: Bei einer Zusammenarbeit muss man viel von seiner eigenen Vision aufgeben, aber ich denke, das würden wir hinkriegen. Die Frage ist nur: Wie würde das aussehen? Es wäre, als würden wir zusammen ein Baby machen!
A.: Ich glaube, das hätte keinerlei Ähnlichkeit mit einem unserer anderen Werke.
N.: Das denke ich auch. Das wäre die einzige Möglichkeit: etwas zu machen, was komplett anders ist als die Ästhetik, die wir sonst haben. Das könnte interessant, das könnte aber auch schrecklich werden (lacht)!
A.: Unsere künstlerische Arbeit besteht schließlich nicht nur aus unseren Installationen.
N.: Genau. Ich mache Musik, da sind deine Kostüme, meine Modelinie … Ich finde auch, dass mit zunehmender Erfahrung immer mehr Dinge möglich werden. Ich fühle mich verschiedenen Medien gegenüber offener als noch vor drei Jahren. Früher dachte ich, dass sich der eigene Stil und die Art und Weise, wie man Dinge tut, mit der Zeit festigen und klarer werden. Tatsächlich fühlt man sich zwar sicherer, aber man hat immer noch ständig den Wunsch, alles zu ändern, und dadurch bleiben die Dinge weiter interessant. Ich habe nicht das Bedürfnis, mich selbst zu verteidigen. Das macht die Zusammenarbeit einfacher.
A.: Je mehr wir arbeiten, desto stärker wird unsere „Mitte“ als Künstlerin. Während des Studiums mussten wir unsere Konzepte verteidigen, jedes Detail erklären und alles begründen. Mich hat das ziemlich mitgenommen … Jetzt, nach vier, fünf Jahren, ist alles viel natürlicher. Es ist viel einfacher für mich, einfach zu sagen: „So arbeite ich, das mache ich und aus diesem Grund.“
Würde der Ort bei der Zusammenarbeit eine wichtige Rolle spielen?
A.: Unbedingt, das ist ja auch bei unseren persönlichen Arbeiten schon der Fall. Hinzu kommt, dass es sehr schwierig ist, aus dem Nichts etwas zu schaffen.
N.: Wenn jemand einen Vorschlag hat, um uns zusammenzubringen, dann her damit (lachen).